ALKOHOL-
“ist doch nur das eine Glas…”

Gewohnheiten – egal ob gute oder schlechte – sind nicht angeboren. Sie entstehen häufig durch die Sozialisation in der Familie, durch andere Bezugspersonen oder gesellschaftliche Regeln. Das ist uns meistens nicht bewusst. Doch gerade in Bezug auf Alkoholkonsum – also wann, was, wie viel Alkohol du trinkst – ist eine Prägung durch Familie und Umfeld enorm. Grund genug, den eigenen Konsum einmal unter die Lupe zu nehmen und zu hinterfragen.

Das tägliche Feierabendbier kann eine Gewohnheit sein. Doch die Grenzen zur Sucht sind häufig fließend – das macht es so gefährlich, unbemerkt in eine Abhängigkeit zu rutschen. Stellt sich ein körperliches und/oder seelisches Unwohlsein ein, wenn ausnahmsweise kein Bier zu Hause ist, und muss man dann noch einmal losgehen, um Bier zu kaufen, ist dies ein Zeichen für die Abhängigkeit.

In aller Regel entwickelt sich eine Sucht über einen längeren Zeitraum hinweg. Meist beginnt es mit Gewohnheiten, die sich im Laufe des Lebens etablieren.

Erinnerst du dich noch, wie du als Kind die Erwachsenen beim Alkoholkonsum beobachtet hast? Erinnerst du dich noch an deine ersten eigenen Erfahrungen und welche Rolle Bier, Schnaps und Co. im Freundeskreis der Jugend gespielt hat? Auch wenn sich der nächste Morgen nicht immer gut angefühlt hat, waren da vermutlich hauptsächlich positive Gefühle, die mit dem Alkoholgetränk im Verbindung standen, wie z.B. dass Stress und Ärgern in den Hintergrund treten, ersetzt durch Entspannung, Leichtigkeit und Zugehörigkeit. Tust du das bis heute? Welche Funktion erfüllt das Glas Wein oder Bier heute für dich?

Erfüllt eine Substanz oder Aktivität eine feste Funktion in deinem Leben, ohne die es kaum oder nicht mehr geht, liegt eine Abhängigkeit vor oder ist nicht mehr fern.

Genießen mit Verstand?

Das Trinken von Alkohol ist gesellschaftlich akzeptiert und hat in unserer Gesellschaft den Stellenwert eines Genussmittels. Das bezieht sich auf den kontrollierten Konsum in geringem Umfang. Experten sind sich jedoch einig, dass es keinen risikofreien Konsum von Alkohol gibt, da auch geringe Mengen schon einen negativen Einfluss auf unseren Körper haben.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) deklariert einen täglichen Konsum bis zu 12g reinen Alkohol pro Tag bei Frauen und bis zu 24g reinen Alkohol pro Tag bei Männern als risikoarm. Das entspricht bei Männern ungefähr 0,5l Bier oder 0,25-0,3l Wein bzw. bei Frauen entsprechend der Hälfte. Ungefähr 59% der Bundesbürger befinden sich mit ihrem Trinkverhalten in diesem Bereich.

Die restlichen 41% jedoch haben einen riskanten, gefährlichen oder hohen Konsum oder befinden sich sogar im Bereich des Rauschtrinkens, was dem Konsum von mehr als fünf Gläsern alkoholischer Getränke bei einer Gelegenheit entspricht (vgl. Tabelle). Das regelmäßige bzw. übermäßige Trinken von Alkohol birgt viele gesundheitliche Risiken und kann auch bei scheinbar geringen Mengen schon zu einem Gewöhnungseffekt und einer Abhängigkeitsentwicklung führen.

KOnsumklassen

Reinalkohol Frauen

Reinalkohol Männer

Risikoarmer Konsum

Bis 12g/Tag

Bis 24g/Tag

Riskanter Konsum

12 – 40g/Tag

24 – 60g/Tag

Gefährlicher Konsum

40 – 80g/Tag

60 – 120g/Tag

Hochkonsum

> 80g/Tag

> 120g/Tag

Rauschtrinken

> 70g bei einer Gelegenheit

> 70g bei einer Gelegenheit

Natürlich läuft nicht jede Person, die gerne mal ein Glas Wein oder Bier trinkt, gleich Gefahr abhängig zu werden. Jedoch kann eine Abhängigkeit jeden treffen, weswegen es wichtig ist so sensibilisiert und selbstreflektiert zu sein, dass man Anzeichen nicht übersieht. Denn abhängig zu sein, bedeutet eine Suchterkrankung zu haben.

Wie sieht es bei dir aus?

Wie sieht es bei dir aus? Teste dich direkt mit dem AUDIT-Kurzfragebogen (empfohlen von der WHO), ob bei dir ein problematischer Alkoholkonsum vorliegt.

Zum Selbsttest

Einen Link zur ausführlicheren Variante des Selbsttests AUDIT findest du hier!

Wie kann ich dem zuvorkommen?

Hinterfrage deinen eigenen Konsum:

  • Warum trinke ich?
  • Wann trinke ich?
  • Was trinke ich?
  • Gibt es bestimmte Auslöser, die Alkoholkonsum wahrscheinlicher machen?

Vielleicht hast du in unserem ersten Artikel auch schon den Selbst-Test gemacht, mit dem du dein Konsumverhalten unter die Lupe nehmen kannst. Dann denke doch nochmal genau daran zurück und mache dir deinen Alkoholkonsum bewusst. Falls du den Test nicht gemacht hast, kommst du hier noch einmal dorthin zurück.

Wie kann ich mir helfen?

Eine Abhängigkeit belastet die Lebensqualität stark, auch wenn es sich eine Zeit lang nicht so anfühlt und abstreiten lässt. Lass es nicht so weit kommen! Abhängigkeit und Sucht sind Krankheiten und können behandelt werden! Je früher etwas gegen ein mögliches abhängigkeitsbasiertes Verhalten getan wird, desto leichter ist es gar nicht erst in eine ‚echte‘ Abhängigkeit zu rutschen oder diese hinter sich zu lassen.

Familie und Freunde:

Hast du in deinem näheren Umfeld Menschen, denen du dich anvertrauen kannst? Tu es!

Beratungsstellen:

Alkohol- und Drogenberatungsstellen gibt es überall in Deutschland. Diese beraten kostenlos und (auf Wunsch) anonym zu Suchterkrankungen.
Hier findest du AnsprechpartnerInnen in deiner Nähe:

Selbsthilfegruppen:

Hier bekommst du Unterstützung von Menschen, denen es ähnlich geht wie dir. Du bist nicht allein!

Ärzte:

Ärzte, insbesondere Hausärzte, sind gute Ansprechpartner:Innen, wenn der Stress dich belastet oder du Hilfe wegen deines Substanzkonsums brauchst.

Wenn bereits eine Sucht vorliegt, kann das Verhalten meist nicht mehr allein mit dem Willen geändert werden. Dann ist professionelle Unterstützung nötig.

Sucht im Umfeld – wie spreche ich es an?

Bei einer Abhängigkeit ist die Steuerung im Gehirn verändert. Es ist keine freie Entscheidung mehr, etwas zu konsumieren oder nicht. Das Gehirn gibt einen der Erkrankung entsprechenden eindeutigen Befehl. Aus diesem Grund ist die Unterstützung und das Angebot von Hilfe von außen extrem wichtig. Was kannst du also tun, wenn du bei jemandem in deinem Umfeld den Missbrauch einer Substanz oder eine Abhängigkeit vermutest?

Wie spreche ich es an:

Am besten ist es, wenn du deine Beobachtung oder deinen Verdacht im ersten Schritt als das ansprichst, was es ist: eine Beobachtung!
„Mir ist aufgefallen, dass du manchmal nach Alkohol riechst. Ich mache mir Sorgen um dich.“

Dankbar oder abweisend:

Es kann sein, dass Betroffene dankbar reagieren und das Gesprächsangebot annehmen. Genauso gut kann es aber auch passieren, dass alles abgestritten oder klein geredet wird. Dennoch hast du mit deinem Gesprächsangebot etwas Wichtiges erreicht:
Die Person weiß nun, dass das Verhalten auffällt.

Das ist ein wichtiger Schritt, damit ein Umdenken beginnen kann. Sagst du nichts, kommt die Person vielleicht zu der Überzeugung, dass dein Verhalten nicht bemerkt wird. Wenn du die Person hingegen regelmäßig ansprichst, kann auch sie selbst nicht mehr so leicht die Augen vor dem problematischen Konsum oder Verhalten verschließen.

Grenzen der Hilfe:

Eine suchtkranke Person reagiert nicht so rational, wie eine nicht suchtkranke Person. Daher ist es zwar gut, die Betroffenen anzusprechen, aber sei dir bewusst, dass deine Hilfeversuche scheitern können. Das ist nicht deine Schuld. Es ist nicht dein Versagen.

Wenig zielführend ist es, vermeintlich einfache Vorschläge zu machen, wie z. B. „Trink doch einfach mal weniger“, „Versuch’s doch mal mit Yoga“. Formuliere deine Bemerkung so, dass das Beobachtete im Vordergrund steht. Keine Vermutungen über mögliche Ursachen, keine Abwertung der Person. Der erste Schritt ist die Kontaktaufnahme und deine Unterstützung.